Montag, 30. September 2013


Scheitert Kraft am Terminkalender?
(Foto: hannelore-kraft.de) 
Seit Tagen pokert die SPD um den Eintritt in die Bundesregierung. Die Fronten zwischen den Befürwortern der Optionen Regierung oder Opposition verlaufen quer durch alle bekannten Lager innerhalb der Sozialdemokratie.

Eigentlich lassen sich beide Positionen nur durch eines unterscheiden: Die, die die innerparteiliche Macht haben, sind für eine Regierungsbeteiligung. Die, die noch abwarten können, wollen lieber opponieren.

Vor allem Sigmar Gabriel und „Dr. Frank-Walter Steinmeier trommeln für den Kabinettstisch – im Wissen um ihre letzte Karrierechance. Schaffen sie es jetzt nicht in die Regierung, werden sie im SPD-Personaltableau 2017 wohl keine führende Rolle mehr einnehmen.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und andere etwas jüngere Landespolitiker streben in die Opposition. Sie haben einfach Angst, dass nach einer Neuauflage der Großen Koalition ihre Partei ähnlich wie 2009 vom Wähler abgestraft wird. Für sie wäre dann ein Sprung nach Berlin nicht wirklich lukrativ.

So sind die ganzen Geplänkel um r2g (also Rot-Rot-Grün), den Mitgliederentscheid, die Anzahl der Ministerposten, mögliche Steuererhöhungen etc. eigentlich nur Stellvertreterkriege um die innerparteiliche Macht. In den nächsten Tage und Wochen leicht für uns alle zu beobachten.

Hannelore Kraft hat dabei ein grundsätzliches Problem. Alle Welt erwartet, dass sie 2017 gute Chancen auf die Kanzlerkandidatur hat. Wären da nicht die Wahltermine. Die nächste reguläre Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen steht im Mai 2017 an. Nur vier Monate später sind dann alle Bürger aufgerufen, den Bundestag neu zu wählen.

Und das ist das Dilemma der Hannelore Kraft. Sie kann im SPD-internen Rennen um die K-Frage nicht erst einen möglicherweise fulminanten NRW-Wahlsieg abwarten und sich dann als Kandidatin ausrufen lassen. So hatte es Gerhard Schröder 1998 überaus erfolgreich gemacht. Allerdings fand seine Niedersachsen-Wahl auch schon am 1. März statt. Dass die SPD im Jahr 2017 bis zum Mai mit ihrer Nominierung wartet, ist schlicht unmöglich.

Es gibt also nur wenige Optionen – und alle sind für sie brandgefährlich:

Erstens: Kraft wird frühzeitig Kanzlerkandidatin und tritt als Landesmutter zurück. Sie gibt damit ihrem Nachfolger die Chance, sich mit Amtsbonus im Mai 2017 zu bewerben. Gefahr: Allzu durchsichtiges taktisches Manöver. Ob das gut bei den Wählern ankommt? Norbert Röttgen kann ein Liedchen davon trällern.

Zweitens: Kraft wird Kanzlerkandidatin, regiert bis zum Wahltermin in NRW, tritt dort aber nicht mehr an. Das würde ein skurriler Wahlkampf. Der neue Spitzenkandidat der NRW-SPD könnte sich kaum profilieren, würde nur als Statthalter von Krafts Gnaden in Erscheinung treten. Ein mieses Ergebnis an Rhein und Ruhr könnte sogar den bundesweiten Wahlkampf einen negativen Drive geben.

Drittens: Kraft kandidiert trotz Kanzlerkandidatur noch einmal in NRW. Wähler, die Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin behalten wollen, dürften sie dann bei der anschließenden Bundestagswahl nicht mehr wählen, weil sie sonst ja nach Berlin geht.

Nordrhein-Westfalen ist als größtes Bundes- und Stammland der Sozialdemokratie zu wichtig für personaltaktische Spielereien. Die verbieten sich, wenn die beiden Wahltermine so eng beieinander liegen. Darum muss Hannelore Kraft aus ihrer Sicht also für eine Entzerrung des Wahlkalenders kämpfen.

Und das geht am besten mit Störfeuer Richtung Berlin. Haben wir in drei bis sechs Monaten Neuwahlen, verschiebt sich damit natürlich auch die Bundestagswahl von September 2017 entsprechend. Dann hätte Kraft in vier Jahren genug Zeit, um den Schröder zu machen. Honi soit qui mal y pense.


tl;dr: Der Streit um eine Regierungsbeteiligung der SPD ist vor allem ein innerparteilicher Machtkampf. Hannelore Kraft setzt dabei auf Neuwahlen. Weil sie sonst 2017 wenig Chancen hat. Eine Analyse.


2 Kommentare:

  1. Ich halte Deiner Analyse die Landtagswahl in Niedersachsen und die Bundestagswahl 1998 entgegen...

    Davon ab: Inzwischen wird jede Landtagswahl als Stimmungsbarometer für den Bund missbraucht. Von allen Parteien.

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  2. Auf Niedersachsen/BTW 1998 bin ich ja auch eingegangen. Aber die SPD kann 2017 nicht erst die LTW in NRW (voraussichtlich) im Mai abwarten und erst dann die vermeintliche Wahlsiegerin Kraft nominieren. Heutzutage ist der öffentliche Druck zu groß, den Kanzlerkandidat frühzeitig(er) zu nominieren.

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