Montag, 30. Juli 2012

LONDON 2012 

Olympische Spiele sind toll. Sie bringen Menschen aller Nationen zusammen. Sie richten den Blick über den nationalen Tellerrand hinaus. Sie verdeutlichen, welchen wichtigen Stellenwert der Sport in unserem Leben hat. Sie zeigen die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen und Tragödien.

Und das alles bekommen wir 16 Tage am Stück nach Hause geliefert. Wir werden Zeugen von bombastischen sportlichen Leistungen, von rührenden Szenen abseits der Medaillenvergabe  und wohl auch von verachtenswerten Dopingfällen.

Schon der Auftakt war nach Maß: Die sensationelle Eröffnungsfeier mit James Bond und der Queen, David Beckham und der olympischen Fackel oder Mr. Bean und den Londoner Symphonikern zog Milliarden Menschen rund um den Globus vor ihren TV-Empfangsgeräten in ihren Bann.

Die 30. Sommerspiele sind aber nicht nur ein TV-Erlebnis. Nein, die Olympischen Spiele von London sind wirkliche Internet-Spiele. Und die machen richtig Spaß.

Wir können erstmals selbst Regisseur spielen. Neben dem gewohnten TV-Bild bieten ARD, ZDF und Eurosport täglich bis zu sechs parallel stattfindende Live-Streams an. Es ist faszinierend, mehrere Streams gleichzeitig laufen zu lassen oder einfach nur hin und her zu zappen. Jeder kann das sehen, worauf er grad Lust hat. Und das läuft (zumindest bei mir) bisher recht stabil.

Manche dieser Streams sind übrigens unkommentiert. Auch das ist nicht uninteressant, weil man so mehr von den Interaktionen zwischen den Sportlern oder zwischen Sportler und Trainer/Schiedsrichter/Publikum mitbekommt.

Und auch die EBU (European Broadcasting Union) soll bis zu 13 frei empfangbare Kanäle für Olympia freigemacht haben. Die habe ich allerdings bisher noch nicht getestet.

Einmal Regisseur spielen. Das geht in der ZDF-Mediathek (Scrrenshot).
Wenn ich die Spiele am Computer konsumiere, binde ich das Internet gleich richtig mit ein. Mehr als jeder zweite deutsche Olympia-Teilnehmer hat ein Facebook- oder Twitter-Profil. Einige von denen nutzen dies intensiv und liefern uns so einen ganz persönlichen Eindruck der Spiele aus Athletensicht. (Alle deutschen Statements sammelt der Deutsche Olympische Sportbund hier.)

Ich habe in den ersten Tagen über meinen Twitter-Account kurze Fragen oder Kommentare an unsere Olympioniken richten können. Besonders schön: Die antworten in der Regel auch recht schnell  wenn sie nicht gerade im Wettkampf stecken.

Die Journalisten vor Ort sind auch alle gut vertreten. Viele schreiben nebenbei Blogs, schießen selber Fotos und kommentieren das eine oder andere Erlebnis, was es sonst nicht auf den Schirm oder in die Zeitungen schafft. Freunden kritischer Beobachtung sei an dieser Stelle der Blog von Jens Weinreich empfohlen.

Großartig ist die Berichterstattung auch in den britischen Medien. Die haben alle multimediale Center mit allen Ergebnissen, Bildern, Statistiken und mehr zusammen gebaut. Klick dich einfach mal durch die Seiten von beispielsweise der BBC, The Guardian oder The TelegraphDu wirst überrascht sein, wie umfangreich und aus welchen Blickwinkeln die Olympischen Spiele dort betrachtet werden.

Und dann gibt es natürlich für alle Smartphones und Tabletrechner auch unzählige praktikable Apps. Mehr Olympia war wirklich nie.


tl;drDie Olympischen Spiele in London bieten nicht nur ein tolles TV-Erlebnis. Erstmals kann der Zuschauer sich selbst umfassend zuhause informieren. Das Internet macht's möglich.


Freitag, 20. Juli 2012

ESSAY ZUR POLITIKVERDROSSENHEIT 
Reichstag building Berlin view from west before sunset

Zum Inventar der Bundesrepublik gehört heutzutage zweifelsfrei die Politikverdrossenheit. Diese wird ständig von Bürgern und Journalisten beklagt. Und übrigens auch von den Personen, die im Politikbetrieb arbeiten. Diese fühlen sich „von den Menschen da draußen im Lande“ unverstanden.

Gründe für die Verdrossenheit gibt es viele. Die wohl häufigsten sind – nach meiner Recherche und aus Sicht der Verdrossenden:
  1. In der Politik gibt’s immer nur Streit zwischen Regierung und Opposition oder den Parteien untereinander – und dann häufig nur um Marginalien, die eh keiner mehr versteht.
  2. Es gibt nur wenig Einfluss für uns Bürger auf das politische Geschehen. Alles wird in Hinterzimmern ausgekungelt.
  3. Die Politiker denken nur an sich. Denen da oben ist doch egal, was ich will.
  4. Die abgehobene Sprache der politischen Klasse versteht doch kein normaler Bürger mehr.
  5. Skandale und Affären haben das Berufsbild des Politikers nachhaltig beschädigt. Die haben doch alle Dreck am Stecken.
  6. Die Medien berichten doch immer nur von Skandalen. Eine richtige Vermittlung komplizierter Sachverhalte findet doch nicht mehr statt.
Es gibt aber noch einen anderen Punkt, der in der Analyse des Problems fehlt, aber doch von zentraler Bedeutung ist: Es gibt heute wenig neue Ideen. Es gibt eigentlich keine politischen Visionen mehr. (Oder aber Politiker, die welche haben, trauen sich nicht diese lautstark zu formulieren.)

Warum? Das hat vor allem mit dem Wegbrechen des alten Freund/Feind-Schemas nach dem Ende des Kalten Krieges zu tun. Politische Debatten in den Jahrzehnten zuvor wurden immer auch von Untergangsszenarien begleitet („Freiheit oder Sozialismus!“, „Atomkraft – Nein, danke!“). Auch hatten die damaligen Politiker fast alle Kriegserfahrungen gehabt – das prägte diese Generationen.

Jetzt wird sich keiner diese Zeiten zurück wünschen; das ist das ja ein großer Fortschritt. Aber dadurch, dass ganz große, existenzielle Fragen nicht mehr auf der Tagesordnung stehen, geht den Debatten natürlich etwas verloren. Da fehlt so ein bisschen das Salz in der Suppe.

Auch ist die Welt heute viel komplexer und komplizierter geworden: Immer mehr Staaten, dadurch immer mehr Interessen, die gebündelt werden müssen. Eine rasante Technikentwicklung, die vor allem die Kommunikationsmöglichkeiten in kurzen Abständen ständig revolutioniert. Und das Auflösen von sozialen Gruppen, die auch das langfristige Binden der Bürger an Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen oder politischen Parteien zur Folge hat.

Eigentlich genau die richtige Zeit für neue Ideen. Aber wo sind sie?

Fangen wir in der Opposition an. Im Deutschen Bundestag fällt die Rolle ja vor allem den Sozialdemokraten und den Grünen zu. (Zu den zerstrittenen, populistischen Linken an andere Stelle mehr.) Die stimmen – wie es sich für eine Opposition auch gehört – bei den meisten Anliegen der Regierung auch schön mit Nein. Aber – und das ist historisch neu – in den wenigen, wirklich wichtigen Fragen gibt es fast immer Zustimmung. Die Verlängerung der Auslandsmandate der Bundeswehr, die Rettungspakete für deutsche und ausländische Banken oder die Euro-Stabilisierungsmaßnahmen – wirkliche Opposition sieht anders aus.

Klar, manchmal ist die Regierung auch auf Oppositionskurs eingeschwenkt. Die besten Beispiele sind die Wendung in der Energiepolitik nach Fukushima oder die de-facto-Abschaffung der Wehrpflicht. Aber hier hätte man vor Jahren zumindest großen Widerstand innerhalb der Regierungskoalitionen oder der publizistischen Anhängerschaft erwartet. Pustekuchen.

Versteht mich nicht falsch. In den meisten Punkten finde ich den eingeschlagenen Weg auch außerordentlich richtig. Aber es fällt schon auf, dass es keine großen Gegenentwürfe mehr gibt. Trauen die sich nicht? Fällt denen nichts ein?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird vorgeworfen, dass sie ihr Regierungshandeln als alternativlos bezeichnet. Das hat bestimmt auch etwas mit Arroganz der Macht zu tun, ist aber gleichzeitig eine Offenbarungserklärung der innen- wie außerparlamentarischen Opposition.

Die Piraten haben zuletzt frischen Wind in die Politik gebracht. Das ist grundsätzlich toll. Aber langsam komme ich zu der Ansicht, dass die uns auch nicht wirklich weiterbringen. Mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung klingen ja ganz gut und sind im Zweifel einem weniger davon vorzuziehen. Die Piraten zielen aber an dem Grundproblem vorbei. Es geht ihnen vordergründig nur um einen neuen Politikstil. Sie wollen der „Demokratie ein neues Betriebssystem“ verpassen, wie sie so schön sagen.

Aber es reicht nicht nur neue Fragen zu stellen, sondern neue Antworten sind gefragt. Egal an welches Politikfeld ich denke, wirklich neue Ideen haben auch die Piraten noch nicht präsentiert. Mal bedienen sie sich bei Linken (Bedingungsloses Grundeinkommen), mal bei Liberalen (Datenschutz), mal bei Spinnern – und allzu oft haben sie ja gar keine Meinung. Aber von einem ganz neuen Ansatz, wie wir beispielsweise die Problemfelder EU/Euro, Demografie, Arbeitslosigkeit, Sozialstaat, Afghanistan, politischer oder religiöser Radikalismus lösen oder zumindest angehen können, habe ich nichts gehört. Schade eigentlich.

Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass man sich heute nicht mehr traut, große Ideen zu postulieren. Ein Blick zurück. Wir schreiben das Jahr 2004. Die rot-grüne Bundesregierung schlingert sich mehr schlecht als recht durch ihren Regierungsalltag. Nach der „Agenda 2010“ (Wieder eine Reform, die von der großem Teil der Opposition mitgetragen wurde.) des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) deutet alles auf einen Machtwechsel hin zur Union hin.

Aber die fangen auf einmal an, sich wie die Kesselflicker um ihr Regierungsprogramm zu streiten. Beispiel: die Einführung einer sogenannten Gesundheitsprämie. Alle Bürger sollten einen einheitlichen Satz von 169 Euro monatlich an ihre Krankenversicherungen zahlen. Also sowohl der Chefarzt, als auch die Krankenschwester. Gleichzeitig wollte die damalige Oppositionsführerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel eine große Umverteilung im gesamten Gesundheitswesen organisieren – inklusive einer deftigen Steuererhöhung. Das Ziel war, die Gesundheitskosten von der Arbeitsleistung abzukoppeln und durch eine Ko-Finanzierung über die Steuer für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Die soziale Gerechtigkeit aber, die ist ein Schlagwort mit der man in Deutschland jede Initiative kaputtreden kann. Die Vorschläge wurden in der Öffentlichkeit als „Kopfpauschale“ diffamiert. Nicht nur vom politischen Gegner, sondern vor allem auch von der Schwesterpartei CSU mit Ministerpräsident Edmund Stoiber und Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer an der Spitze. Chefarzt und Krankenschwester mit dem gleichen Gesundheitsbeitrag? Das schreit natürlich nach Ungerechtigkeit.

Doch die Idee war faszinierend. Nicht mehr nur die Arbeitgeber und -nehmer sollten den Großteil der Gesundheitskosten der Bevölkerung tragen, sondern alle – auch die Politiker, Beamten, Privatversicherte, Superreichen, etc. sich über die Steuern beteiligen. Dass das neue System insgesamt gerechter wäre, kam kaum durch. Eine der wenigen substanziellen Berichte in dieser Zeit druckte damals das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am 11. Oktober 2004. Quintessenz: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hätte sich zukünftig über 44.409 Euro neue Gesundheitssteuern erfreuen dürfen – monatlich.

Spiegel-Titel 37/2005 (Quelle)

Wenig später präsentierte die zur Kanzlerkandidatin aufgerückte Angela Merkel mit dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof einen unangepassten Quereinsteiger als Schattenfinanzminister. Neben ein paar unglücklichen Auftritten des auf großer politischer Bühne ungeübten Kirchhof bleibt von dieser Nominierung vor allem eines in Erinnerung: Da kam einer, der neue Ideen mitbrachte, aber frontal demontiert wurde.

Kirchhofs durchgerechnete Konzepte wurden einfach nicht ernst genommen. Er wurde sogar der Lächerlichkeit preisgegeben. Kanzler Schröder nannte ihn abfällig den „Professor aus Heidelberg“, stellte ihn in Wahlkampfreden als einen unsympathischen Neunmalklugen hin.

Eine Massenwirkung erzielt das natürlich erst, wenn die Medien sich vor diesen Karren spannen lassen. Die haben kräftig mitgemischt. Das Draufhauen auf einen Neupolitiker war offenbar verkaufsfördernder als das sich Auseinandersetzen mit seinen Ideen. Verwundert die Ablehnung neuer, von mir aus auch Reizfiguren in der Öffentlichkeit, wenn „Der Spiegel“ in der Ausgabe direkt vor der Bundestagswahl 2005 ein unsympathisches Foto von Paul Kirchhof mit einer eindeutig negativ assoziierenden Schlagzeile auf den Titel hebt?

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wird ein besonderes Zitat zugeschrieben: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dass er damit einer mutlosen Politikergeneration ein Leitmotiv lieferte, ist bedenklich und leistet der Politikverdrossenheit Vorschub.


tl;drPolitikverdrossenheit hat eine unterschätze Ursache: Die Ideenlosigkeit der politischen Klasse. Aber man kann es ihr kaum verübeln, hat sie doch gelernt: Wer durch Ideen auffällt, fällt durch.


Sonntag, 15. Juli 2012

LAUFEN 

Adidas hat für seine neue Kampagne „i am on my way einen Aufruf an Läuferinnen und Läufer gestartet, per Video zu erzählen, warum und wo sie laufen. Ich habe mich letzte Woche kurzfristig entschieden, bei der Kampagne mitzumachen. In rund 90 Minuten habe ich mit einem Freund paar Sequenzen auf meiner Joggingstrecke an der Spree gedreht. Ohne Drehbuch, ganz spontan, nur mit meiner Handykamera. Und das ist dabei herausgekommen.
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Montag, 9. Juli 2012

MEDIEN 

Sommerinterviews sind nun wirklich selten weltbewegend. Überhaupt Politikerinterviews. Naja. Ausnahmen wie das mittlerweile legendäre „Das dürfen Sie alles senden“ von Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer neulich im ZDF bestätigen eher die Regel.

Bettina „150 Euro pro Nacht“ Schausten und Joachim Gauck.
Warum ich mir heute gestern die Zeit genommen habe, 20 Minuten Bettina Schausten im ZDF-Gespräch mit Bundespräsident Joachim Gauck anzusehen? Ich weiß es gar nicht so genau. Vielleicht war ich einfach neugierig, wie sich der neue erste Mann im Staate bei dieser für ihn gewiss eher lästigen Pflichtaufgabe schlagen würde.

Wenn du das Interview noch nicht gesehen hat, solltest du das jetzt tun, bevor du weiter liest. Einfach nur, damit du dir deine Meinung möglichst unbeeinflusst bilden kannst. (Hier geht's zum Interview.)

Fertig? Danke. Wie vermutet, bot auch dieses Interview nicht wirklich Revolutionäres. Was blieb hängen? Gauck ist ein eloquenter älterer Herr, der mit sich offenbar im Reinen ist. Hier und da war es eine nette Plauderei. Bettina Schausten hatte sich wohl auch kaum vorgenommen, Joachim Gauck in die Enge zu treiben. Dafür bietet er ja auch derzeit kaum Angriffsfläche.

Interessant war für mich höchstens noch, was die lieben Kollegen der schreibenden Zunft aus diesen 20 Minuten herausziehen würden. Also surfe ich im Schnelldurchgang die Webseiten der großen Medienhäuser ab. Ein kurzer Blick auf die Schlagzeilen verschlägt mir dann die Sprache.

Laut Spiegel Online“ ermahnte Gauck Bundeskanzlerin Angela Merkel:


Die Bild konnte Forderungen erkennen:


Auch die Financial Times Deutschland“ sieht Merkel in einer Bringeschuld:


Das Hamburger Abendblatt“ erkennt Kritik von Gauck an Merkel:


Die Süddeutsche Zeitung sieht Merkel ebenfalls ermahnt:


Und die Welt, aber das hatten wir ja schon ...


Es ist müßig, erklären zu wollen, warum nahezu alle Medienhäuser von rechts bis links in die gleiche Kerbe schlagen. Auf der einen Seite schreiben auch Journalisten häufiger voneinander ab. Oder zumindest schreiben sie die ihnen vorliegenden Agenturmeldungen um. Dass an einem sommerlichen Sonntagnachmittag die Redaktionen nicht voll besetzt sind, ist auch menschlich verständlich, aber keine Entschuldigung für journalistischen Einheitsbrei.

Oder aber haben sich die Journalisten das Interview gar nicht richtig angehört und wollten nur ihre Vorurteile bestätigt wissen? Wir erinnern uns: Die Nominierung von Gauck zum gemeinsamen Bundespräsidentenkandidaten wurde von den meisten als klare Niederlage Merkels analysiert. Es wurde ein Gegensatz zwischen dem Menschenfreund (Gauck), dem die Herzen der Massen zufliegen, und der kühlen Technokratin der Macht (Merkel) hinauf beschworen.

Dieser Kontrast zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch die meisten Artikel und Kommentare, wenn das Verhältnis der Beiden zueinander untersucht wird. Dabei betonen sowohl Präsident wie auch Kanzlerin ständig, dass sie fair zusammenarbeiten und sich gegenseitig wirklich schätzen. Zu schade aber auch für den Politik-Boulevard.

Die oben genannten Schlagzeilen sind sicherlich nicht gänzlich falsch, verzerren aber das Bild gewaltig. Und das kritisiere ich. In dem gesamten 20-Minuten-Interview tauchen nur  wenn man es wirklich gut mit den Journalisten meint  zwei kleine Sätze auf, die man als Kritik gegenüber Merkel verstehen könnte. Eigentlich nimmt Gauck diese Kritik auch sofort wieder zurück. Er äußert vielmehr Verständnis für die Schwierigkeiten bei der Vermittlung komplizierter Sachverhalte durch die Politik (ausdrücklich nennt Gauck hier die gesamte Politik und nicht Merkel).

An anderen Stellen geht er wirklich deutlich ins Gericht – aber nicht mit Merkel. So kritisiert er beispielsweise Bürger und Populisten, die Sachverhalte zu sehr vereinfachen (Das Geld wird den Banken in den Rachen geschmissen“). Zum Ende des Interviews wird er noch einmal grundsätzlich. Hier fallen dann die Sätze, aus denen ich die Überschriften konzipiert hätte.
Ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet. Und, es ist einfach so: Unsere Landsleute neigen manchmal dazu, die Wirklichkeit mit einem gedachten Ideal zu vergleichen, sowohl die Gesellschaft, als auch einzelne Personen. Wenn wir die handelnden Personen einmal vergleichen mit dem Vergleichbaren, also mit anderen Führungskräften, die uns in Europa und der Welt begegnen, dann kriegen wir wirklich einen neuen und realistischen Blick auf unser Führungspersonal. Und dann wächst auch der Respekt.
Und für die, die es immer noch nicht verstanden haben, schickt er noch einen allerletzten Satz hinterher: Ich habe gerade über Frau Merkel gesprochen.


tl;drJoachim Gauck lobt im ZDF-Sommerinterview Angela Merkel überschwänglich. Die Berichterstattung der meisten Medien zeichnet davon aber ein ganz anderes Bild.