Montag, 30. Juni 2014

FUSSBALL-REFORMEN (1) 

Machen 40 Schiedsrichter 'ne Party 
Fußball ist ein geniales Spiel. Die Regeln sind im Grundsatz global gültig und von den obersten Profiligen bis unten zu Hartplatzbolzern der Kreisligen identisch. Nur wenige Reformen waren im Laufe der Zeit notwendig, um das Spiel attraktiver zu machen. Die Einführung des Elfmeterschießens, der gelben und roten Karte, der Rückpassregel und andere haben das Spiel nie im Kern getroffen. Das ist gut und soll auch so bleiben.

Dennoch würde ich mir ein paar Änderungen wünschen. Viel mehr als Kosmetik ist es zwar nicht, aber meines Erachtens könnten sie dazu beitragen, das Spiel noch interessanter und gerechter zu machen.


1. Weg mit der Torlinientechnik!
Sie ist der heißeste Shit bei dieser WM. Sie kommt aus Deutschland (von der Firma GoalControl GmbH aus dem Aachener Vorort Würselen). Viele können nicht genug von mir ihr bekommen. Und dennoch bin ich strikter Gegner der Torlinientechnik.

Fußball lebt nicht nur von Emotionen, sondern auch von Fehlentscheidungen und Legendenbildung. Klar, es geht hier mittlerweile um viele, viele Millionen, aber dennoch ist und bleibt es hoffentlich ein Spiel.

Diese Torlinientechnik ist so teuer (rund 300.000 Euro pro Stadion), dass sie nur in den oberen Spielklassen eingeführt werden kann. Und das finde ich grundsätzlich nicht in Ordnung. Das Tor ist in jeder Klasse gleich groß, jede Mannschaft spielt mit der gleichen Anzahl Spieler und auch Tor sollte überall sein, wenn der Schiedsrichter (gerne in Zusammenarbeit mit seinen Assistenten) auf Tor entscheidet.

Außerdem geht mir die Technikhörigkeit etwas auf den Senkel (Puh, endlich mal Kulturpessimismus von mir)! Jede Technik kann manipuliert werden, jede Technik ist fehleranfällig. Und diese Diskussionen, die wir dann haben, wenn in einem wichtigen Spiel selbst die Torlinientechnik uns kein klares Ergebnis zeigt, will ich nicht unbedingt haben. Und diese kommt. Ganz sicher.


2. Führt Zeitstrafen ein!
Fehlverhalten kann ein Schiedsrichter heute nur mit Freistoß, gelber oder roter Karte ahnden. Die Bandbreite bei Verstößen gegen das Regelwerk (aktuelle DFB-Regeln können hier als PDF heruntergeladen werden) ist aber viel größer.

Spielverzögerungen oder das Trikotausziehen beim Tor-Jubeln werden heute kaum mit Gelb geahndet, weil die Strafe im Vergleich zu groben Fouls den meisten Schiedsrichtern viel zu hart erscheint. Eine praktikable Lösung wäre die Einführung von Zeitstrafen, wie sie es beim Eis- oder Feldhockey schon lange gibt.

Ein Beispiel: Für eine wiederholte Spielverzögerung sollte es fünf Minuten Zeitstrafe für den Spieler (verzögert der Torwart, sollte ein vom Mannschaftskapitän zu bestimmender Feldspieler als Ersatz rausgehen) geben. Sofortige Konsequenz: Ein Spiel würde sicherlich nicht mehr arg verzögert werden. In der Schlussphase einen Mann weniger auf dem Platz zu haben, erscheint weniger lukrativ als paar Sekunden zu schinden.

Fliegt doch einer kurzfristig vom Platz, würde das Spiel taktisch reizvoller, weil sich eben eine der Grundvoraussetzungen des Spiels, das elf gegen elf, kurzfristig ändern würde.


3. Keine Gelbsperren im Finale!
Bei dieser WM wird es nicht passieren, in der UEFA Champions League ist es aber schon oft vorgekommen. Ein Spieler sieht im Achtelfinale eine gelbe Karte wegen eines dummen Fouls und im Halbfinale wegen einer umstrittenen Handspiel-Entscheidung des Schiedsrichters die gelbe Karte. Konsequenz: Er fehlt im Finale.

Besonders brutal war dies beim Champions-League-Finale 2012. Mit Luiz Gustavo, David Alaba und Holger Badstuber (alle FC Bayern München) sowie Raul Meireles, Branislav Ivanovic und Ramires (alle FC Chelsea) waren gleich sechs Spieler gesperrt.

Die Idee dahinter ist ja ganz gut. Jemand, der oftmals gelbwürdig gegen das Regelwerk verstößt, soll nicht immer nur mit einer Verwarnung davonkommen. In der Bundesliga setzt man nach der fünften Gelben für ein Spiel aus, bei großen internationalen Turnieren oder im Europacup nach der zweiten.

Wenn zwei Klubs oder Nationen ein großes Finale erreichen, sollen bitteschön auch die jeweils besten auf dem Platz stehen. Die aktuelle Regelung um den Passus „nach dem Halbfinale werden alle Gelbsperren für ein Spiel ausgesetzt“ zu ergänzen, kann so schwer nicht sein. Ich halte das auch für die Spieler nur menschlich fair. Wie oft hat denn ein Fußballer mal die Chance, ein Finale zu erreichen?


4. Verkleinert die Europameisterschaft!
Als Pendant zur Fußball-WM hatte ich die Endrunde zur Europameisterschaft lieb. Das Teilnehmerfeld war überschaubar, die meisten Spieler waren mir ein Begriff, es gab quasi nur Topspiele.

Von 1960 bis 1976 spielten nur vier Länder um den Titel. Von 1980 bis 1992 gab es acht Mannschaften, die sich für die Endrunde qualifizierten. In den Turnieren 1996 bis 2012 waren dann schon 16 Teams am Start. Bei der nächsten EM 2016 in Frankreich wird die Rekordzahl von 24 Teilnehmern erreicht.

Die UEFA kann mit diesem großen Turnier natürlich viel mehr Geld einnehmen. Die EM ist damit aber nur noch die kleine (europäische) WM-Schwester, nicht mehr die eigentlich spielerisch anspruchsvollere.

Mir gefällt es aber auch aus sportpolitischen Gründen nicht: Diese Mega-EM kann von kleineren Staaten nicht mehr alleine gestemmt werden. Die Kosten für die Stadien und die Infrastuktur sprengen jeden vernünftigen Rahmen. Schade drum, hier wäre weniger mehr.


Reaktionen: Wie Ihr denkt – aktueller Stand (01.07.14, 18:30 Uhr) bei Twitter & Facebook:
1. 4 x Ja, 1 x Remis, 9 x Nein
2. 9 x Ja, 2 x Remis, 4 x Nein
3. 3 x Ja, 2 x Remis, 8 x Nein
4. 7 x Ja, 2 x Remis, 5 x Nein 
Vorschau: In einem zweiten Teil wird es um den DFB-Pokal gehen, im dritten bald um die Bundesliga und den Europapokal.


tl;dr: Ein paar Forderungen an den Fußball: Weg mit der Torlinientechnik! Führt Zeitstrafen ein! Weg mit den Gelbsperren im Finale! EM mit 8 Ländern!



Sonntag, 22. Juni 2014

BLOGPARADE 

Bei den „Simpsons“ wird Deutschland Weltmeister.
Endlich ein WM-Text. Vor lauter WM-Gucken komme ich nicht dazu, selbst in die Tasten zu hauen. Zumindest bisher. Ich nehme das Stöckchen von Chucky Goldstein gerne auf und orientiere mich an den Fragen der Blogparade von Vert et blanc.

Mein erstes bewusstes WM-​Erlebnis war?
1990 – DIE Weltmeisterschaft überhaupt. Ein halbes Jahr zuvor fiel die Berliner Mauer, im März durften die DDR-Bürger erstmals frei wählen, die D-Mark wurde am Tag des Viertelfinals gegen die Česká a Slovenská Federativní Republika eingeführt, der Weg zur deutschen Einheit war nicht mehr aufzuhalten. Und dann diese WM!

Wir sprechen heute von der Heim-WM 2006, die erstmals so etwas wie ein positives deutsches Nationalgefühl wieder zuließ. Damit wird aber das welthistorische Wunderjahr 1989/1990 verdrängt. Wahrscheinlich ob der ekelerregenden Auswüchse des bei einigen Ewiggestrigen sich verselbständigen Nationalismusses, der damals im Windschatten des Einheitsgefühls an Fahrt aufnahm. Aber – in meiner Erinnerung – im Sommer 1990 war das alles noch weit weg. Wie ich ja auch.

Ich ging in die fünfte Klasse einer kleinen katholischen Grundschule im Norden Berlins. Vorrunde, Achtel- und Viertelfinale guckte ich noch zu Hause mit Schwestern und Papa auf unserem kleinen Fernseher in der Küche. Dann ging es auf Klassenfahrt nach Langeleben in die niedersächsische Provinz. Und da keimte in uns allen ein einzigartiges Zusammengehörigkeitsgefühl auf. Wir labten uns einfach am tollen Fußball der Nationalmannschaft – ohne politische Hintergedanken. Unsere Stars waren die Berliner Pierre Littbarski und Thomas Häßler, und natürlich die im Ausland spielenden Stützen des Teams, Lothar Matthäus, Andi Brehme und Jürgen Klinsmann (ich fand allerdings damals schon Kalle Riedle weit spannender). Und wie im Finale aus Guido der „Diego“ Buchwald wurde, faszinierte uns alle.

Mit welcher WM-​Legende würde ich gern einmal Doppelpass spielen?
Je älter man wird, desto weniger (Fitness + intellektuell) kann man mit den jungen Dingern anfangen und je spannender werden die Alt-Stars aus der eigenen Jugend. Deshalb verzichte ich auf einen Doppelpass im fußballerischen und beantworte die Frage im übertragenen Sinne.

Ich würde mich gerne einmal mit Lothar Matthäus auf der Dachterrasse seines Appartements in lovely Budapest unterhalten. Themen wären: seine heutige Außenwirkung, seine (aus meiner bescheidenden Sicht) falschen Berater und natürlich über Fußball. Dass Matthäus mehr Ahnung vom Fußball als wir alle zusammen hat, ist wohl unbestritten. Dass er dies aber viel zu selten aufblitzen lässt (bei sky ist er sicherlich der beste Experte), macht mich irgendwie traurig. Ebenfalls natürlich, dass kein deutscher Verein ihm eine wirklich Chance einräumt (aus Angst, die eigenen Fans würden dies nicht mittragen). Ja, ihr Nürnbergs und HSVes dieser Republik, fühlt Euch angesprochen!

Welchem TV-​Kommentator werde ich bei der WM gerne zuhören?
Ganz klar: Oliver Schmidt im ZDF und mit Abstrichen Tom Bartels in der ARD. Beide sind ihren Sender-Kollegen weit voraus. Vielleicht liegt es daran, dass sie relativ frisch auf dem Äther sind und eine gewisse Unbekümmertheit mitbringen. Ich jedenfalls fühle mich von beiden kompetent informiert. Grundsätzlich beteilige ich mich ja eh nicht am beliebten Kommentatoren-Bashing (#kommbash). Bis auf bei Wolf-Dieter Poschmann (ZDF). Bei dem habe ich immer das Gefühl, dass er die Schönheit dieses Spiels bis heute nicht wirklich begriffen hat.

Die Iren haben sich für die WM am Zuckerhut leider nicht qualifiziert. Welchem weiteren Land drücke ich neben Jogis Jungs als „Zweitteam“
 die Daumen?
Ein wirkliches Lieblingsteam habe ich nicht. Meine Sympathien verteilen sich immer nach den Akteuren auf dem Platz. Und da sind dann die Nationen, die aktuelle oder ehemalige Bayern-Spieler aufbieten können, weit vorne. Seit Jahren wachsen mir daher die Niederlande besonders ans Herz. Man hat mich in den letzten Tagen auch schon spontan vor LKWs der Berliner Umzugsfirma Robben & Wientjes jubeln sehen: ARJEN ROBBEN!

Positiver Nebeneffekt: Dadurch, dass dort überdurchschnittlich oft Bayern-Spieler im Kader sind, beschäftige ich mich seit Jahren intensiver mit der Elftal. Dass wiederum eröffnete mir einen ganz besonderen Zugang zum erfrischendem Offensivfußball unserer Nachbarn. Ja, ich kann sagen, der Niederlande wünsche ich den Titel mehr als jedem anderen Land (außer vielleicht Bosnien-Herzegowina aus politischen Gründen).

Zu Jogis Jungs: Meine beiden Lieblingskicker aus dem deutschen Kader sind?
Da regt mich ja die Frage schon auf, würde Frau Hoppenstett sagen. Ich mag Spieler in allen Nationen. Naturgemäß haben Kicker einen Vorteil, die sich ihre Meriten beim FC Bayern verdienen, zuvorderst Arjen Robben und Thomas Müller. Nicht verhehlen kann ich auch große Sympathien für Cristiano Ronaldo (alleine schon deswegen, weil Du ihn nicht magst) und – meine Entdeckung dieses Turniers – Olivier Giroud. Ein ganz famoser Balltreter, der sein Können ja auch schon in Spielen seines Londoner Klubs Arsenal gegen den FC Bayern aufblitzen ließ.

Wie weit kommen Jogis Jungs?
Weil die Auslosung den Deutschen wohl erneut Glück bescherte, dürfte das Viertelfinale auf alle Fälle drin sein. Und dann entscheidet die Tagesform. An einen Titelgewinn glaube ich nicht, da sind einfach zu viele Baustellen im Team. Vier Innenverteidiger statt einer guten Mischung Außen/Innen, die nicht zu hundertprozentig fitten 6er Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira, dazu eine fehlende Alternative zu Thomas Müller (Miroslav Klose ist in entscheidenden Spielen keine mehr, glaubt mir). So kann man nicht Weltmeister werden. Widerspruch?

Wer wird am 13.​07.​2014 im Maracanã Weltmeister?
Vor dem Turnier hatte ich nicht wirklich spektakuläre Tipps auf Lager: Argentinien oder Brasilien. Jetzt, nach 1 ½ Spieltagen, lehne ich mich mal aus dem Fenster: Frankreich macht's.
1. Weil die Niemand auf der Rechnung hat.
2. Weil sie als einziges der großen Nationen in beiden Spielen überzeugt haben.
3. Weil es ein Team ist. Die profitieren meines Erachtens sogar vom Ausfall ihres Superstars Frank Ribéry. Frankreich spielt befreit auf und ist jetzt nicht mehr von einem Spieler abhängig, der sich im letzten halben Jahr sowieso in einem veritablen Formtief befand.
4. Les Bleus spielen nicht nur gnadenlos effektiv (das Schweiz-Spiel!), sondern auch mit der nötigen Aggressivität. Es macht einfach Spaß, den Franzosen beim Kicken zuzusehen.


Aber vielleicht kommt alles ganz anders und die „Simpsons behalten doch Recht:




tl;dr: Die WM 1990 war mein Lieblingsturnier. Oliver Schmidt vom ZDF ist bester Kommentator. Arjen Robben ist der Größte. Und Frankreich wird Weltmeister, weil Ribéry fehlt.