Montag, 6. Mai 2013

ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND 

Die AfD-Rechtspopulisten stärken Kanzlerin Merkel eher.
Das Aufkommen der populistischen Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland hat die Bundestagswahl plötzlich wieder spannend gemacht. Allerorten (hier, hier, hier, hier, hier oder hier) wird spekuliert festgestellt, dass die AfD Merkels Wahlsieg noch verhindern kann.

Mit einfacher Mathematik (dazu später mehr) und ein bisschen politischem Verständnis lässt sich diese These jedoch schnell entkräften. Vielmehr stimmt das Gegenteil.

Was niemand in der Union zugegeben würde: Strategisch kann die AfD der Merkel-Partei noch lange die Macht sichern. Denn mit der AfD würden weder SPD noch Grüne jemals koalieren. So entsteht in Parlamenten, in die es die AfD schafft, auf der rechten Seite eine strukturelle Mehrheit. Diese kann die Union in Koalitionsverhandlungen mit Rot oder Grün immer nutzen, um ihr Wahlprogramm durchsetzen.

Damit gleicht die AfD strategisch ein wenig der Linkspartei. Diese stellt ja für die SPD vor allem in den östlichen Bundesländern ein hervorragendes Erpressungspotential  dar. In Koalitionsgesprächen zwischen den beiden Volksparteien drohen die Sozialdemokraten häufig mit einer anderen, linken Mehrheit und setzen so deutlich mehr Programmatik (und Ministersessel) durch.

Die AfD gleicht der Linkspartei aber noch in einem anderen Punkt. Beide Parteien sind die einzigen Kräfte (sieht man von unbedeutenden Splitterparteien ab), die den common sense in der Europapolitik ablehnen. Das hat – mit Verzögerung – jetzt auch Linken-Ikone Oskar Lafontaine erkannt und kupfert mal eben schnell deren Kernforderung ab. Das tut Lafontaine aus einem einfachen Grund: Ihm geht der Arsch auf Grundeis.

Glaubt wirklich ernsthaft jemand, dass Merkels Unterstützer am Wahltag in großen Scharen zur AfD überlaufen? Einige AfD-Sympathisanten haben sicherlich einen Unionshintergrund. Aber jemand, dem die Wiedereinführung der D-Mark so wichtig ist, dass er seine Wahlentscheidung davon abhängig macht, würde bei dieser Bundestagswahl eh nicht (mehr) CDU oder CSU wählen.

Die AfD-Wähler hätten eigentlich nur vier Möglichkeiten, wenn es die AfD nicht gäbe:

  1. Nichtwählen – was wohl die meisten machen würden.
  2. Eine aussichtslose Splitterpartei wie die BüSo oder die NPD wählen.
  3. FDP wählen und hoffen, dass deren marktradikale Seite sich durchsetzt.
  4. Linke wählen – immerhin die einzige Partei im Parlament, die häufiger Nein sagt.
Erste Umfragen scheinen diese Logik auch zu bestätigen.

Auch ein anderer Punkt könnte Merkel kurzfristig sehr gut in den Kram passen. Die Euro-Rettung und die damit verbundene Beseitigung der weltweiten Finanzkrise werden zu einem bestimmenden Themen im Bundestagswahlkampf.


SPD und Grüne leiden darunter, dass sie es nie geschafft haben eine pointierte Alternative zur Merkel/Schäuble-Politik zu formulieren. Bei allen relevanten Abstimmungen in dieser Legislaturperiode stimmten SPD und Grüne fast geschlossen mit der Union. Das ist auf der einen Seite eine eklatante politisch-kreative Bankrotterklärung der Opposition, auf der anderen Seite scheint die so oft zitierte Alternativlosigkeit offenbar zu verfangen. Wenn jetzt aber vielen Menschen doch der Sinn nach einer anderen Euro-Politik steht? Warum sollten diese für Rot-Grün stimmen?!

In einem Wahlkampf, in dem über Merkels Euro-Politik gestritten werden muss, kristallisieren sich zwei Pole heraus: Einmal das von Rot-Grün mitgetragene Ja zum Euro von Angela Merkel, und zum anderen die Zurück zur DM-Position der AfD. Peer Steinbrück findet dazwischen – auf dem vielleicht wahlentscheidenden Politikfeld – quasi nicht statt. Das nützt: Angela Merkel.

Machen wir Rechenszenarien auf. In den Umfragen liegt Merkels CDU/CSU derzeit zwischen 10 und 18 Prozentpunkten vor der SPD. Dieser Vorsprung wird sicher ausreichen, um am 22. September klar als Erstes über die Ziellinie zu laufen. Nach Stand der Dinge wird die Union auch alleine stärker als Rot-Grün zusammen. Optimale Voraussetzung, um den Regierungsauftrag zu reklamieren. Entscheidend wird also nur noch sein, welche der drei kleineren Parteien (FDP, Linke, AfD) in den Bundestag einziehen werden. Dazu habe ich die sechs mathematisch möglichen Szenarien durchgespielt.


  • Variante 1: AfD, FDP und Linke scheitern knapp am Bundestagseinzug.
    In dem verbliebenen 3-Parteien-Parlament kann Angela Merkel mit einer absoluten Mehrheit der Mandate regieren.
     
  • Variante 2: AfD kommt rein, FDP und Linke scheitern.
    Eine Regierungsmehrheit ist ohne Angela Merkel nicht möglich, sie kann SPD und Grüne in Koalitionsverhandlungen gegeneinander ausspielen.

  • Variante 3: AfD und FDP kommen rein, Linke scheitert.
    Falls es für Schwarz-Gelb reicht, wird weiterregiert wie bisher. Sollte es jedoch nicht ganz reichen, wären mit Verweis auf die wichtige Euro-Politik höchstwahrscheinlich sowohl SPD als auch die Grünen zu einer Koalition mit Merkel bereit.
     
  • Variante 4: AfD und Linken kommen rein, FDP scheitert.
    Das Extremen-Parlament. Weder Rot noch Grün könnten sich ihrer staatspolitischen Verantwortung entziehen, eine stabile Koalition unter Führung von Angela Merkel zu entziehen.
     
  • Variante 5: AfD und Linke scheitern, FDP kommt rein.
    Weiter so. Es reicht für Schwarz-Gelb.

  • Variante 6: AfD und FDP scheitern, die Linke kommt rein.
    Das Horror-Szenario der Bürgerlichen. Es gibt zwar keine eigene Mehrheit von Rot-Grün, der rot-rot-grüne Block hat aber eine klare Mehrheit. Sollte es der Union doch noch gelingen, die SPD oder die Grünen zu einer Koalition zu überreden, dann wohl nur unter Verzicht Angela Merkels auf das Kanzleramt. Nicht auszuschließen ist jedoch auch ein rot-grünes Bündnis unter Tolerierung der Linken (Magdeburger Modell).

Fazit: Das Aufkommen der AfD sichert Angela Merkel bei den Varianten 1 bis 4 die Macht. Bei Variante 5 ändert sich nichts, einzig bei Variante 6 könnte Rot-Grün von der neuen rechtspopulistischen Partei profitieren, da sich FDP und AfD hier wohl selbst kannibalisiert hätten.

Langfristig wird die Alternative für Deutschland keinen Erfolg haben. Ein-Themen-Parteien – die Grünen würde ich nicht dazu zählen – haben sich bei uns noch nie etabliert. Ob die Schill-Partei, die Statt-Partei, jetzt offenbar sogar die Piratenpartei oder auch die Parteien am rechten Rand: Fast alle fielen nach einer Legislaturperiode wieder aus den Parlamenten. Irgendwann ist jedes Thema aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden, interne Streitigkeiten tun meist ihr übriges. Spätestens wenn der Euro langfristig gesichert ist, wird die AfD wie ein kaltgewordenes Soufflé in sich zusammenfallen.


tl;dr: Überall steht, dass die Alternative für Deutschland (AfD) Angela Merkels Wahlsieg gefährdert. Hier steht, warum eher das Gegenteil der Fall ist.


1 Kommentar:

  1. "Spätestens wenn der Euro langfristig gesichert ist, wird die AfD wie ein kaltgewordenes Soufflé in sich zusammenfallen."

    Eben. Nur in der Fantasiewelt einer langfristigen Eurorettung würde die AFD veschwinden.

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