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Sonntag, 7. Juli 2013


Populistisch bis rassistisch: WirtschaftsWoche.
Viele Medienhäuser entdecken in der Zeitungskrise eine neue Zielgruppe: Schüler. Man hofft durch altersgerechte Ansprache die Jüngsten an ihre auf Papier gedruckten Erzeugnisse zu gewöhnen. Die „Welt am Sonntag“ hatte von 2008 bis 2011 mit der Serie „kinderleicht“ sehr anschaulich Begriffe und Hintergründe aus der Wirtschaftswelt erklärt – und dafür zurecht auch Preise abgeräumt.

Durch Zufall bin ich jetzt erstmals auf das Heft „WirtschaftsWoche Schule: Einfacher, als du denkst (2/2013)“ gestoßen, das der regulären WiWo (Nummer 27, vom 1.7.2013) beiliegt. Das Heft widmet sich auf 17 redaktionellen Seiten den Schulden. Thematisiert wird die ganze Bandbreite von privaten Schuldenfallen von Jugendlichen, über Verbindlichkeiten von Fußballclubs bis natürlich die aktuelle EU-Krise.

Corpus Delicti: Nordler arbeiten, Südler feiern.
Und letzteres auf so abenteuerliche Weise, dass ich inständig hoffe, dass niemals ein Schüler dieses Presseerzeugnis zu Gesicht bekommt.
Eine Bildergeschichte in zehn Akten, versehen mit je einem kleinen Text, versucht die Schuldenkrise der Euro-Zone zu erklären – liefert aber nur tiefsitzenden Ressentiments gegenüber Südeuropäern Zündstoff.

Das fängt schon bei den Bildern an. Die Nordeuropäer sind freilich alle blond und schlank. Der dargestellte Südländer trägt Schnurrbart und dunkle Haarpracht. Während die germanische Frau das Haus putzt oder gerade von der Arbeit kommt, liegen die faulen Mittelmeeranrainer im Liegestuhl oder cruisen mit ihrem neuen Mercedes durch die Gegend.

Respekt: „WiWo“ lies nahezu kein Klischee aus.
Die Story ist schnell wiedergegeben. Nord- und Südfamilien wollen in ein gemeinsames Haus (symbolisch für die Euro-Währungsgemeinschaft) ziehen, um Kosten zu sparen. Alle verpflichten sich, keine neuen Schulden zu machen. Doch aus dem Westen zieht ein Sturm (die Finanzkrise) auf, der das Haus beschädigt. Da der Südler über seine Verhältnisse gelebt hatte, müssen nun die reichen Nordfamilien das Haus alleine reparieren.

Der Ansatz, komplizierte Vorgänge auch jugendgerecht aufzuarbeiten, ist großartig. Aber bitte ernsthaft, ohne Klischees. Auch sollten wirklich alle Fakten benannt werden. Es sind nämlich nicht nur die Schulden in Südeuropa, die den Euro – und damit uns alle – sabotieren.

Unsympathisch, geldgierig: Der Südeuropäer.
Auch ist der Zusammenhang zwischen Schulden und Wirtschaftswachstum derzeit arg umstritten. Nirgends ist von den großen, schmerzhaften Sozialreformen, die derzeit den Süden unseres Kontinents schmerzen, die Rede.

Nein, die Bilderstrecke erweckt den Eindruck, die reichen Nordstaatler zahlen alleine für den faulen Süden. Dies populistisch zu nennen, ist noch freundlich formuliert. Weniger besonnene Zeitgenossen werden hier latenten Rassismus erkennen. Ist diese Lektüre wirklich so jugendgerecht?


tl;dr: Die „WirtschaftsWoche“ erklärt Schülern die EU-Schuldenkrise – und fischt dabei in gefährlich bräunlichem Gewässer.


Montag, 6. Mai 2013

ALTERNATIVE FÜR DEUTSCHLAND 

Die AfD-Rechtspopulisten stärken Kanzlerin Merkel eher.
Das Aufkommen der populistischen Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland hat die Bundestagswahl plötzlich wieder spannend gemacht. Allerorten (hier, hier, hier, hier, hier oder hier) wird spekuliert festgestellt, dass die AfD Merkels Wahlsieg noch verhindern kann.

Mit einfacher Mathematik (dazu später mehr) und ein bisschen politischem Verständnis lässt sich diese These jedoch schnell entkräften. Vielmehr stimmt das Gegenteil.

Was niemand in der Union zugegeben würde: Strategisch kann die AfD der Merkel-Partei noch lange die Macht sichern. Denn mit der AfD würden weder SPD noch Grüne jemals koalieren. So entsteht in Parlamenten, in die es die AfD schafft, auf der rechten Seite eine strukturelle Mehrheit. Diese kann die Union in Koalitionsverhandlungen mit Rot oder Grün immer nutzen, um ihr Wahlprogramm durchsetzen.

Damit gleicht die AfD strategisch ein wenig der Linkspartei. Diese stellt ja für die SPD vor allem in den östlichen Bundesländern ein hervorragendes Erpressungspotential  dar. In Koalitionsgesprächen zwischen den beiden Volksparteien drohen die Sozialdemokraten häufig mit einer anderen, linken Mehrheit und setzen so deutlich mehr Programmatik (und Ministersessel) durch.

Die AfD gleicht der Linkspartei aber noch in einem anderen Punkt. Beide Parteien sind die einzigen Kräfte (sieht man von unbedeutenden Splitterparteien ab), die den common sense in der Europapolitik ablehnen. Das hat – mit Verzögerung – jetzt auch Linken-Ikone Oskar Lafontaine erkannt und kupfert mal eben schnell deren Kernforderung ab. Das tut Lafontaine aus einem einfachen Grund: Ihm geht der Arsch auf Grundeis.

Glaubt wirklich ernsthaft jemand, dass Merkels Unterstützer am Wahltag in großen Scharen zur AfD überlaufen? Einige AfD-Sympathisanten haben sicherlich einen Unionshintergrund. Aber jemand, dem die Wiedereinführung der D-Mark so wichtig ist, dass er seine Wahlentscheidung davon abhängig macht, würde bei dieser Bundestagswahl eh nicht (mehr) CDU oder CSU wählen.

Die AfD-Wähler hätten eigentlich nur vier Möglichkeiten, wenn es die AfD nicht gäbe:

  1. Nichtwählen – was wohl die meisten machen würden.
  2. Eine aussichtslose Splitterpartei wie die BüSo oder die NPD wählen.
  3. FDP wählen und hoffen, dass deren marktradikale Seite sich durchsetzt.
  4. Linke wählen – immerhin die einzige Partei im Parlament, die häufiger Nein sagt.
Erste Umfragen scheinen diese Logik auch zu bestätigen.

Auch ein anderer Punkt könnte Merkel kurzfristig sehr gut in den Kram passen. Die Euro-Rettung und die damit verbundene Beseitigung der weltweiten Finanzkrise werden zu einem bestimmenden Themen im Bundestagswahlkampf.


SPD und Grüne leiden darunter, dass sie es nie geschafft haben eine pointierte Alternative zur Merkel/Schäuble-Politik zu formulieren. Bei allen relevanten Abstimmungen in dieser Legislaturperiode stimmten SPD und Grüne fast geschlossen mit der Union. Das ist auf der einen Seite eine eklatante politisch-kreative Bankrotterklärung der Opposition, auf der anderen Seite scheint die so oft zitierte Alternativlosigkeit offenbar zu verfangen. Wenn jetzt aber vielen Menschen doch der Sinn nach einer anderen Euro-Politik steht? Warum sollten diese für Rot-Grün stimmen?!

In einem Wahlkampf, in dem über Merkels Euro-Politik gestritten werden muss, kristallisieren sich zwei Pole heraus: Einmal das von Rot-Grün mitgetragene Ja zum Euro von Angela Merkel, und zum anderen die Zurück zur DM-Position der AfD. Peer Steinbrück findet dazwischen – auf dem vielleicht wahlentscheidenden Politikfeld – quasi nicht statt. Das nützt: Angela Merkel.

Machen wir Rechenszenarien auf. In den Umfragen liegt Merkels CDU/CSU derzeit zwischen 10 und 18 Prozentpunkten vor der SPD. Dieser Vorsprung wird sicher ausreichen, um am 22. September klar als Erstes über die Ziellinie zu laufen. Nach Stand der Dinge wird die Union auch alleine stärker als Rot-Grün zusammen. Optimale Voraussetzung, um den Regierungsauftrag zu reklamieren. Entscheidend wird also nur noch sein, welche der drei kleineren Parteien (FDP, Linke, AfD) in den Bundestag einziehen werden. Dazu habe ich die sechs mathematisch möglichen Szenarien durchgespielt.


  • Variante 1: AfD, FDP und Linke scheitern knapp am Bundestagseinzug.
    In dem verbliebenen 3-Parteien-Parlament kann Angela Merkel mit einer absoluten Mehrheit der Mandate regieren.
     
  • Variante 2: AfD kommt rein, FDP und Linke scheitern.
    Eine Regierungsmehrheit ist ohne Angela Merkel nicht möglich, sie kann SPD und Grüne in Koalitionsverhandlungen gegeneinander ausspielen.

  • Variante 3: AfD und FDP kommen rein, Linke scheitert.
    Falls es für Schwarz-Gelb reicht, wird weiterregiert wie bisher. Sollte es jedoch nicht ganz reichen, wären mit Verweis auf die wichtige Euro-Politik höchstwahrscheinlich sowohl SPD als auch die Grünen zu einer Koalition mit Merkel bereit.
     
  • Variante 4: AfD und Linken kommen rein, FDP scheitert.
    Das Extremen-Parlament. Weder Rot noch Grün könnten sich ihrer staatspolitischen Verantwortung entziehen, eine stabile Koalition unter Führung von Angela Merkel zu entziehen.
     
  • Variante 5: AfD und Linke scheitern, FDP kommt rein.
    Weiter so. Es reicht für Schwarz-Gelb.

  • Variante 6: AfD und FDP scheitern, die Linke kommt rein.
    Das Horror-Szenario der Bürgerlichen. Es gibt zwar keine eigene Mehrheit von Rot-Grün, der rot-rot-grüne Block hat aber eine klare Mehrheit. Sollte es der Union doch noch gelingen, die SPD oder die Grünen zu einer Koalition zu überreden, dann wohl nur unter Verzicht Angela Merkels auf das Kanzleramt. Nicht auszuschließen ist jedoch auch ein rot-grünes Bündnis unter Tolerierung der Linken (Magdeburger Modell).

Fazit: Das Aufkommen der AfD sichert Angela Merkel bei den Varianten 1 bis 4 die Macht. Bei Variante 5 ändert sich nichts, einzig bei Variante 6 könnte Rot-Grün von der neuen rechtspopulistischen Partei profitieren, da sich FDP und AfD hier wohl selbst kannibalisiert hätten.

Langfristig wird die Alternative für Deutschland keinen Erfolg haben. Ein-Themen-Parteien – die Grünen würde ich nicht dazu zählen – haben sich bei uns noch nie etabliert. Ob die Schill-Partei, die Statt-Partei, jetzt offenbar sogar die Piratenpartei oder auch die Parteien am rechten Rand: Fast alle fielen nach einer Legislaturperiode wieder aus den Parlamenten. Irgendwann ist jedes Thema aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden, interne Streitigkeiten tun meist ihr übriges. Spätestens wenn der Euro langfristig gesichert ist, wird die AfD wie ein kaltgewordenes Soufflé in sich zusammenfallen.


tl;dr: Überall steht, dass die Alternative für Deutschland (AfD) Angela Merkels Wahlsieg gefährdert. Hier steht, warum eher das Gegenteil der Fall ist.