Sonntag, 25. Mai 2014

TEMPELHOFER FELD 

Ich sage NEIN und JA zu 4.700
neuen Wohnungen mitten in Berlin.
Ein paar Mal war ich nach Schließung des Flughafens auf dem Tempelhofer Feld. Diese Oase mitten in der Stadt ist sehr angenehm und wohl einzigartig in der Welt. Diese möchte ich auch erhalten wissen – zumindest zum großen Teil.

Leider finden sich keine Zahlen, wie viele Berliner diese Fläche wirklich nutzen. Wenn ich dort war, waren es sicherlich immer mehr als einhundert gleichzeitig. Aber eine Mehrheit der Berliner nutzt das Feld nicht.

Eindeutiger ist die Sache, wenn man sich überlegt, wer von der heute abzustimmenden sogenannten Randbebauung profitieren würde: Alle Berliner.

In Umfragen liegen bezahlbare Mieten in der Hitliste der drängendsten Probleme der Berliner (hinter dem BER-Desaster) seit Jahren ganz vorne. Schlagworte wie Gentrifizierung, Luxussanierung, Ferienwohnungen etc. haben vor allem mit zwei Phänomenen zu tun:

1. Berlin ist sexy. Immer mehr Menschen wollen in Berlin wohnen. Rechnet man die immer kleiner werdenden Haushalte (Trend zu Single-Haushalten) hinzu, ist klar: Die Nachfrage nach Wohnraum steigt und steigt.

2. In der Mietenpolitik hat Berlin im letzten Jahrzehnt vieles falsch gemacht. Freistehende Wohnungen in unbeliebten Kiezen wie Marzahn wurden zurückgebaut. Förderungen für Sozialwohnungen meist nicht verlängert. (Dies übrigens unter einem rot-roten Senat; ich will aber nicht ablenken.) Beides befeuerte den Mietspiegel. Dieser ist Grundlage, um wie viel Vermieter ihre Wohnungen teurer machen können.

Dass wir heute in Top-Lagen die gleichen Preise wie in den traditionell kostenintensiven Städten Hamburg und München aufrufen, ist eigentlich unmöglich. Wirtschaftlich hängen wir hinter diesen Orten so weit hinterher, dass man sich die Preise ohne einen ordentlichen Spekulationsaufschlag nicht erklären kann.

Lasst uns also das Angebot an verfügbarem Wohnraum deutlich steigern! So nehmen wir denjenigen den Wind aus den Segeln, die von der stärker gewordenen Nachfrage profitieren. Dazu gehört übrigens eine der engagiertesten Tempelhof-Aktivistinnen. Diese vermietet laut dem „Berliner Tagesspiegel“ früher privat genutzte Wohnungen als Ferienwohnungen – und hat aus finanziellen Gründen logischerweise wenig Interesse an der Randbebauung.

Wir reden von Montag bis Samstag von bezahlbaren Mieten für alle Berlinerinnen und Berliner. Und am Wahlsonntag (ergo heute) stimmen wir gegen ein gigantisches Projekt, dass uns dabei helfen wird, dieses Ziel zu erreichen?

Ich kann wirklich nicht verstehen, warum die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ so kompromisslos ist. Nur ein kleiner Teil der riesigen Fläche soll nach den Plänen des Senats und des Abgeordnetenhauses bebaut werden. Über was wir reden, zeigt eine Infografik der „Berliner Morgenpost“ eindrucksvoll.

Wir haben heute also die Wahl: 4.700 neue Wohnungen oder 0 neue Wohnungen. Wofür ich mich da entscheide, ist klar. Ich stimme heute bei Frage 1 mit NEIN und bei Frage 2 mit JA.


Nachtrag: Mein Freund Christian sieht das anders. Ist aber auch okay! (:



tl;dr: Beim heutigen Volksentscheid steht nicht nur die Zukunft des Tempelhofer Feldes auf dem Spiel, sondern auch die Höhe der Mieten in Berlin. Deshalb stimme ich für eine maßvolle Randbebauung.



13 Kommentare:

  1. Ich halte den Vorschlag des Senats für unausgegoren. Was ist zum Beispiel mit der kulturellen Nutzung des Flughafens? Wird diese aufgrund von Lärmschutzvorschriften in Zukunft nicht mehr möglich sein? Es gibt viele unbeantwortete Fragen. Auch die Landesbibliothek sehe ich kritisch. Deshalb werde ich zwei Mal mit Nein stimmen.

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  2. Baulücken und Brachen gibt es genug in der Stadt. Da kann man mit gutem Willen 5000 Wohnungen bauen - auch mit bezahlbaren Mieten. Da brauchen wir das Tempelhofes Feld nicht.

    @wohli: Zweimal NEIN eröffnet die Möglichkeit noch mehr zu bauen. Daher ist das die schlechteste Möglichkeit.

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  3. Warum verschweigst Du, dass nur 9% der Wohnungen zu bezahlbaren Preisen vermietet werden sollen? Und dass der Bebauungsplan über 40% Gewerbegebiet vorsieht?

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  4. @Mars: Wo hast du die 9 Prozent her? Geht meines Erachtens nach der „Berliner Mischung“ überhaupt nicht.

    Noch ein Gedankenspiel: Selbst wenn 100 Prozent der dortigen Wohnungen zu Luxuswohnungen würden, könnte das einen Effekt auf Berlin haben, da sich dieses Klientel dann eben aus anderen Ecken heraushalten würde. Der Markt für Luxus ist grad in Berlin nicht unendlich.

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  5. mars (spielbeobachter)25. Mai 2014 um 11:38

    Ich bin gerade per Telefon online, daher verzeih, wenn es nur dieser Link ist:https://twitter.com/thetruemilhouse/status/470243719086870528 - aber kannst Du sicher genauer ergoogeln.
    Und nee, mehr Luxuswohnungen braucht diese Stadt nicht, wer sich jede Miete leisten kann, findet überall in der Stadt genug Wohnraum.

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  6. Danke. Selbst wenn es nur 850 Wohnungen wären, was ich nicht glaube, würde ich die gerne sofort bauen. Die Mieten leider in Berlin unter starker Spekulation. Da muss wirklich Entspannung her - durch Bauen, Bauen, Bauen.

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  7. Abgesehen davon, dass einige Gebäude direkt an die Autobahn sollen. Kommen da dann die Sozialwohnungen rein?

    Und was ist mit dem alten Flughafengebäude und dem Gelände davor? Betonwüste? Und den Straßen, die gebaut werden müssen? Wozu brauchen wir die teure Bibliothek?

    Bauen bitte für Normalos und nicht bloß Lofts. Mir sind die Aussagen zu vage, am Ende heißt es wieder: Haben wir leider vergessen rechtskräftig in den Vertrag mit dem Investor rein zuschreiben.

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  8. Die Stadt hat besseres verdient, als Immobilienspekulanten "das Feld" zu überlassen. Ich stimme mit JA und NEIN. Mit deiner Begründung könnte man jeden Wald in Deutschland dem Erdboden gleichmachen - ihn nutzen ja so wenige.

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  9. Ich habe ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben: http://blog.wohlrabe.de/2014/05/25/die-sache-mit-dem-tempelhofer-feld-was-berlin-braucht/

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  10. @Shayenne Günther: Diese Bibliothek braucht niemand, richtig. Aber das lenkt alles zu sehr ab. Natürlich kann etwas falsch laufen, wenn man etwas tut. Tun wir aber gar nichts, brauchen wir uns über weiter ansteigende Mieten nicht zu wundern.

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  11. @Fhy: Wir reden hier nicht von irgendeinem Wald sondern ganz konkret von einer riesigen Freifläche in einer Stadt, die unter zu hohen Mieten ächzt. Tun wir nichts, bekommen wir Verhältnisse wie in den 80er Jahren zurück.

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  12. @senSATZionell Die Mieten waren auch vorher schon hoch im Innenstadtbereich; Sozialwohnungen in Neubauten an einer riesigen Grünanlage sind illusorisch und naiv! Dafür hätten allenfalls die Wohnungen in Marzahn ausgewiesen werden können, die jetzt abgerissen wurden und die den Mietspiegel auch nicht gedrückt haben, als es sie noch gab. Das Tempelhofer Feld hätte nie im Leben günstige Wohnungen bekommen, dafür sind die Grundstücke viel zu hochwertig! Deine Argumentation ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Die Grundstücke wären sofort an Investoren veräußert worden, die Wohnungen gebaut hätten, die den Mietspiegel noch weiter in die Höhe treiben.

    Aus diesem Grund kann und darf das Feld nicht als Spielwiese an Immobilienjuppies, schwäbische BWL-Studenten und sonstige gelbelackte Krawatten-Schleimer verschenkt werden, die aus der Stadt mit Lärmschutzklagen Neustuttgart gemacht haben. Das Tempelhofer Feld muss ein Stadtpark für alle Berliner werden.

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  13. @Fhy So schwer ist das doch nicht. Die Mieten steigen weil der Wohnraum knapp ist. Als Wohnraum noch ausreichend da war (vor dem Rückbau in Marzahn und anderswo und vor dem Zugzug von hunderttausenden Neuberlinern), waren sie auf viel niedrigerem Niveau. Natürlich gibt es diesen Zusammenhang.

    Auf Spiegel Online freut sich bereits der erste Vermieter über nun weiter steigende Einnahmen: www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/berlin-bauverbot-auf-tempelhofer-feld-verschaerft-wohnungsnot-a-971820.html.

    Es ist ja okay, wenn dir die Freifläche wichtiger als bezahlbarer Wohnraum ist. Mir nicht. Ich hätte beides gut gefunden. Aber bitte in Zukunft NIE wieder über zu teure Mieten beschweren. Danke.

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