Montag, 12. November 2012

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 

Nervig ist ... demokratische Voten zu missachten.
Der heutige Tag ist für alle Basisdemokraten in unserem Land ein Trauertag. Claudia Roth wird also Vorsitzende der Grünen bleiben. Die Parteispitze ignoriert somit das klare Votum der Mitgliederbefragung.

Die Parteioberen aller Couleur werden das Ergebnis genau registrieren: Die Basis stimmt nicht so ab, wie die „da oben“ es wollen und bringt damit das gut austarierte Macht- und Karriereabsicherungszentrum ins Wanken.

Es ist aber auch eine Krux mit dieser innerparteilichen Demokratie. Die Wahl von Rudolf Scharping zum SPD-Kanzlerkandidaten 1994 gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul gilt heute als Hauptgrund für die nochmaligen 4moreyears der Kanzlerschaft Helmut Kohls. Seitdem versucht die SPD-Spitze jede basisdemokratische Bewegung innerhalb der Partei frühzeitig zu unterbinden. So wurde zuletzt vor wenigen Monaten die Initiative von Teilen der Hauptstadt-SPD verhindert, ihren Parteivorsitzenden durch ein breites Votum zu bestimmen.


Und nun ereilt die Grünen ihr Scharping-Moment. Dabei brauchen die politischen Parteien, wenn sie auch zukünftig weite Bevölkerungsschichten repräsentieren wollen, dringend mehr Partizipation. Ich kenne viele Menschen, die sich früher in Parteien ehrenamtlich engagiert haben. Neben vielen persönlichen Gründen und unterschiedlichen politischen Konstellationen gibt es einen Grund der alle vereint, warum sie heute nicht mehr aktiv sind: fehlende Einflussmöglichkeit.

Explizit diese Gruppe fühlt sich durch basisdemokratische Schritte wie die Urwahl angesprochen. Der deutliche Mitgliederzuwachs bei den Grünen in den letzten drei Monaten spricht Bände. Dass die Grünen-Machtclique diese neuen Mitglieder aber nur 24 Stunden nach der Ergebnis-Auszählung wieder vor den Kopf stößt, ist eine Schande.

Dabei ist die Zeit für Claudia Roth eh abgelaufen. Bringt die Bundestagswahl den Grünen ein tolles Ergebnis und sogar eine Regierungsbeteiligung, wird das Tandem Trittin/Göring-Eckardt immer mächtiger. Endet die Wahl aber mit einer Klatsche für die Grünen, wird das vor allem der in die Jahre gekommenen RothTrittinKünast-Generation angelastet. Eines haben die Grünen auf jeden Fall geschafft: Die Personaldiskussion wird noch lange andauern und den Auftakt in den Wahlkampf überlagern.

Was die Grünen in den letzten Monaten mit ihrer so unterstützenswerten Urwahl und dem überaus freundlichen Medienecho zur überraschenden Wahl von Katrin Göring-Eckardt mühsam aufgebaut haben, reißen sie heute mit der Roth-Nummer mit voller Wucht mit ihrem Hintern wieder ein.

Ein abschließender Punkt, den ich besonders perfide finde: Das Ergebnis des am Wochenende anstehenden Wahl-Parteitages nehmen die Parteigranden auch schon vorweg. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sichert Claudia Roth vorauseilend ein „tolles Ergebnis“ zu.

Und das in der Partei, die oft genug behauptet, sie hätte das mit der Basisdemokratie erfunden.
 
tl;dr: Die Grünen erleben ihren Scharping-Moment. Claudia Roth darf Partei-Vorsitzende bleiben, das Basis-Votum wird ignoriert. Ein Trauertag für die Basisdemokratie.


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